Das Lied vom Klassenfeind

Bertolt Brecht, Libro di devozioni domestiche,
in Poesie 1918-1933, traduzioni di Emilio Castellani e Roberto Fertonani, Torino, Einaudi, 1968, pp. 322-330.

Alfred Roll, Le Retour du Bal, 1886

-1-
Als ich klein war, ging ich zur Schule
und ich lernte, was mein und was dein.
Und als da alles gelernt war,
schien es mir nicht alles zu sein.
Und ich hatte kein Frà¼hstà¼ck zu essen,
und andre, die hatten eins:
Und so lernte ich doch noch alles
vom Wesen des Klassenfeinds.
Und ich lernte, wieso und weswegen
da ein Riss ist durch die Welt?
Und der bleibt zwischen uns, weil der Regen
von oben nach unten fà¤llt.

-2-
Und sie sagten mir: Wenn ich brav bin,
dann werd ich dasselbe wie sie.
Doch ich dachte: Wenn ich ihr Schaf bin,
dann werd ich ein Metzger nie.
Und manchen von uns sah ich,
der ging ihnen auf den Strich.
Und geschah ihm, was dir und was mir geschah,
dann wunderte er sich.
Mich aber, mich nahm es nicht wunder,
ich kam ihnen frà¼hzeitig drauf:
Der Regen fliesst eben herunter
und fliesst eben nicht hinauf.

-3-
Da hà¶rt ich die Trommel rà¼hren,
und alle sprachen davon:
Wir mà¼ssten jetzt Kriege fà¼hren
um ein Plà¤tzlein an der Sonn.
Und heisere Stimmen versprachen uns
das Blaue vom Himmel herab.
Und herausgefressene Bonzen
schrien: Macht jetzt nicht schlapp!
Und wir glaubten: Jetzt sind’s nur mehr Stunden,
dann haben wir dies und das.
Doch der Hegen floss wieder nach unten,
und wir frassen vier Jahre lang Gras.

-4-
Und einmal, da hiess es auf einmal:
Jetzt machen wir Republik!
Und der eine Mensch ist da dem à¤ndern gleich,
ob er mager ist oder dick.
Und was vom Hungern matt war,
war so voll Hoffnung nie.
Doch was vom Essen satt war,
war hoffnungsvoll wie sie.
Und ich sagte: Da kann was nicht stimmen
und war trà¼ber Zweifel voll:
Das stimmt doch nicht, wenn der Regen
nach aufwà¤rts fliessen soll.

-5-
Sie gaben uns Zettel zum Wà¤hlen,
wir gaben die Waffen her.
Sie gaben uns ein Versprechen,
und wir gaben unser Gewehr.
Und wir hà¶rten: Die es verstehen,
die wà¼rden uns helfen nun.
Wir sollten an die Arbeit gehen,
sie wà¼rden das à¼brige tun.
Da liess ich mich wieder bewegen
und hielt, wie’s verlangt wurd’, still
und dachte: Das ist schà¶n von dem Regen,
dass er aufwà¤rts fliessen will.

-6-
Und bald darauf hà¶rte ich sagen,
jetzt sei alles schon eingerenkt.
Wenn wir das kleinere à¼bel tragen,
dann wà¼rd’ uns das grà¶ssere geschenkt.
Und wir schluckten den Pfaffen Brà¼ning,
damit’s nicht der Papen sei.
Und wir schluckten den Junker Papen,
denn sonst war am Schleicher die Reih.
Und der Pfaffe gab es dem Junker,
und der Junker gab’s dem General.
Und der Regen floss nach unten,
und er floss ganz kolossal.

-7-
Wà¤hrend wir mit Stimmzetteln liefen,
sperrten sie die Fabriken zu.
Wenn wir vor Stempelstellen schliefen,
hatten sie vor uns Ruh.
Wir hà¶rten Sprà¼che wie diese:
Immer ruhig! Wartet doch nur!
Nach einer grà¶sseren Krise
kommt eine grà¶ssere Konjunktur!
Und ich sagte meinen Kollegen:
So spricht der Klassenfeind!
Wenn der von guter Zeit spricht,
ist seine Zeit gemeint.
Der Regen kann nicht nach aufwà¤rts,
weil er’s plà¶tzlich gut mit uns meint.
Was er kann, das ist: er kann aufhà¶r´n,
nà¤mlich dann, wenn die Sonne scheint.

-8-
Eines Tags sah ich sie marschieren
hinter neuen Fahnen her.
Und viele der Unsrigen sagten:
Es gibt keinen Klassenfeind mehr.
Da sah ich an ihrer Spitze
Fressen, die kannte ich schon,
und ich hà¶rte Stimmen brà¼llen
in dem alten Feldwebelton.
Und still durch die Fahnen und Feste
floss der Regen Nacht und Tag.
Und jeder konnte ihn spà¼ren,
der auf der Strasse lag.

-9-
Sie à¼bten sich fleissig im Schiessen
und sprachen laut vom Feind
und zeigten wild à¼ber die Grenze.
Und ans haben sie gemeint.
Denn wir und sie, wir sind Feinde
in einem Krieg, den nur einer gewinnt.
Denn sie leben von uns und verrecken,
wenn wir nicht mehr die Kulis sind.
Und das ist es auch, weswegen
ihr euch nicht wundern dà¼rft,
wenn sie sich werfen auf uns, wie der Regen
sich auf den Boden wirft.

-10-
Und wer von uns verhungert ist,
der fiel in einer Schlacht.
Und wer von uns gestorben ist,
der wurde umgebracht.
Den sie holten mit ihren Soldaten,
dem hat Hungern nicht behagt.
Dem sie den Kiefer eintraten,
der hatte nach Brot gefragt.
Dem sie das Brot versprochen,
auf den machen sie jetzt Jagd.
Und den sie im Zinksarg bringen,
der hat die Wahrheit gesagt.
Und wer ihnen da geglaubt hat,
dass sie seine Freunde sind,
der hat eben dann erwartet,
dass der Regen nach oben rinnt.

-11-
Denn wir sind Klassenfeinde,
was man uns auch immer sagt:
Wer von uns nicht zu kà¤mpfen wagte,
der hat zu verhungern gewagt.
Wir sind Klassenfeinde, Trommler!
Das deckt dein Getrommel nicht zu!
Fabrikant, General und Junker –
unser Feind, das bist du!
Davon wird nichts verschoben,
da wird nichts eingerenkt!
Der Regen fliesst nicht nach oben,
und das sei ihm auch geschenkt!

-12-
Da mag dein Anstreicher streichen,
den Riss streicht er uns nicht zu!
Einer bleibt und einer muss weichen,
entweder ich oder du.
Und was immer ich auch noch lerne,
das bleibt das Einmaleins:
Nichts habe ich jemals gemeinsam
mit der Sache des Klassenfeinds.
Das Wort wird nicht gefunden,
das uns beide jemals vereint!
Der Regen fliesst von oben nach unten.
Und du bist mein Klassenfeind.

————-

[Al piú presto la traduzione]

Lascia un commento

Il tuo indirizzo email non sarà pubblicato. I campi obbligatori sono contrassegnati *